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Testbericht Fluss- und Veloreise Belgien / Holland

Reisetesterin Brigitte Langhart unterwegs

Testbericht Fluss- und Veloreise Belgien / Holland

02. bis 10. August 2022

In meinem Kleiderschrank gibt es das eine oder andere orange T-Shirt; rein farblich gesehen, passe ich also perfekt nach Holland. Orange oder eben «Oranje» steht ja für die nationale Identität Hollands. Meine Lieblingsreisen sind immer noch die Veloreisen und wenn diese auch noch mit einem schwimmenden Hotel – in diesem Fall die «Excellence Countess» - verbunden sind, dann ist das für mich einfach nur grandios. Amsterdam habe ich privat schon zwei Mal besucht, Rotterdam hingegen steht schon lange auf meiner «ToDo-Liste». Ich liebe moderne Bauten, solche soll es dort ja zuhauf geben. Und nun noch mein Anspruch an mich selbst: die wichtigsten Wörter auf holländisch lernen: Goedemorgen, Goedenavond, ... nur mit der Aussprache, da hapert es noch ein wenig.

1. Tag | Dienstag, 02. August: Schweiz - Nijmegen

Um 7 Uhr fahren wir pünktlich in Rütihof ab, nachdem alle Velos von unseren Guides in den Veloanhänger eingeladen worden sind. Roberto, Rolf und Fritz sind nicht nur unsere Reiseleiter für die nächsten 8 Tage, sondern viel mehr unsere «Gästebetreuer». So werden wir im Bus nicht nur vorbildlich, sondern auch sehr zuvorkommend mit Getränken umsorgt. Die Reise durch das Elsass und die Pfalz verläuft ab und zu etwas harzig, doch unser Chauffeur Thamas weicht den Staus auf Umwegen aus. Roberto unterhält uns währenddessen mit viel Wissenswertem über die Niederlande, sei es über Geschichte, Geografie und – mit einem Augenzwinkern – über die Eigenheiten des typischen Holländers. Sogar ein neues Wort habe ich in meinem Vokabular: Fietsen, «Radfahren» auf holländisch. Ein Plus unserer Reise ist, dass wir Carel, gebürtiger Holländer, in unserer Gruppe haben. Er kann uns so die Aussprache vieler Wörter beibringen und viel Insiderwissen vermitteln. Die Landschaft verändert sich; nach vielen Hügeln und Rebbergen wird es immer flacher, ein klares Zeichen, dass wir in Holland sind. Nach den üblichen «Biopausen» in den Raststätten kommen wir in Nijmegen an, wo uns die Besatzung der «Excellence Countess» erwartet. In zauberhafter Abendsonne glänzt unser schwimmendes Hotel. Etwas Hektik kommt auf, denn um 20 Uhr müssen wir ablegen. Es ist bereits 19.30 Uhr und es sind erst zwei, der vier Twerenboldbusse eingetroffen. Ein Bus mit Velofahrern und drei mit Schiffs-Feriengästen. Eine Stunde später sind dann alle Gäste rechtzeitig in der Lobby versammelt, wo uns Thomas Hofmann, der Schiffsreiseleiter, über die Organisation des Schiffsbetriebes und über das Wochenprogramm informiert. Kaum hat er seine Rede beendet, sitzen die Gäste bereits im Speisesaal, wo sie rasch und charmant bedient werden. Ein herrliches 3-Gang-Menu steht zur Auswahl, das wir mit Hochgenuss verspeisen. Anschliessend können wir endlich den Koffer auspacken und uns wohnlich einrichten. Ich habe eine Kabine auf dem Mitteldeck mit einem riesigen Schiebefenster und habe so das Gefühl, fast im Wasser zu wohnen. Während das Schiff kurz nach Nijmegen von der Maass auf den Amsterdam-Rijnkanaal gewechselt hat, schwimmen wir bald einmal wieder auf einem anderen Kanal – ich muss gestehen, ich kann den Kanalwechseln nicht immer folgen...

2. Tag | Mittwoch, 03. August: Amsterdam

Nachdem um 8.30 Uhr die Velos alle ausgeladen worden sind, können wir pünktlich in drei Gruppen die Stadt erkunden. Ich bin in der Gruppe Roberto, er ist der Reiseleiter für die langen Strecken. Am Vormittag übernimmt der einheimische Klaas die Stadt-Führung – Ehrensache: mit einem richtigen holländischen schwarzen «Fiets» und wie alle Holländer trägt er keinen Helm. Mit Schalk, Selbstironie und viel Herzblut zeigt er uns seine Stadt. Ab und zu gibt es ein Päuschen für Erklärungen und Geschichten, aber trotzdem sind wir sehr zügig auf den endlosen Radwegen unterwegs, vorbei an schmucken Grachten, durch historische Stadtviertel und belebte Pärke. Um 11 Uhr sind wir wieder an Bord. Dort wird ein leichter Lunch serviert. Nach dem Mittagessen überqueren wir zuerst mit der Fähre einen Kanal, um in den nordöstlichen Teil von Amsterdam zu gelangen. Durch kleine hübsche Wohnquartiere radeln wir bei angenehmen Temperaturen Richtung Markermeer. Die weite Ebene, grasende Kühe und auch noch eine Käserei am Wegesrand – so stellen wir uns Holland doch vor. Wunderbar! Volendam erreichen wir nach nur gerade 30km Fahrt. Es ist ein hübsches Fischerdorf, das bei den Touristen sehr beliebt ist. Gepflegte bunte Häuser, einige nostalgische Fischerboote, Souvenirläden mit Tulpen und Klompen (Holzzoggel), sowie Buden mit lecker duftenden Waffeln und Eiscrème: ja, hier fühle ich mich gut aufgehoben. Nach gut einer Stunde fahren wir zurück nach Amsterdam.

Auf der Excellence Countesse holen wir unsere Bordkarte, duschen und sind um 18.30 Uhr ready für den Welcome-Drink, mit kurzen Ansprachen von Kreuzfahrtleiter Thomas Hofmann, Kapitän Jager und von unserem Hauptveloleiter Roberto Fuchs. Das Essen aus der Schiffs-Küche ist ein Gedicht. Der krönende Abschluss des heutigen Abends macht der Seemanns-Chor mit Gesangseinlagen rund um das Schifffahrtsleben.
 

3. Tag | Donnerstag, 04. August: Amsterdam–Zevenhuizen–Rotterdam

Da die «Countesse» bereits um 7.30 Uhr die Anlegestelle verlässt, müssen alle Velofahrer vorher ausgecheckt haben, d.h. die Zimmerkarte an der Réception mit der «Landgangs-Karte» tauschen und beim Bus das Velo abholen. Da wir so früh unterwegs sind, müssen wir uns in die Rushhour einordnen. Das ist eine Herausforderung: es sind nicht die Autos, die uns stressen, sondern die unzähligen Radfahrer, die temporeich die vielen Radstrassen souverän passieren und überqueren. Wir fahren in Richtung Südwesten und haben die Sonne im Rücken, was orientierungsmässig ein gutes Zeichen ist. Auf dem Land geht es eindeutig entspannter zu und her, obwohl dort auf den Feldern emsiges Treiben herrscht. Riesige Traktoren und Maschinen sind im Einsatz. Da wäre manch Schweizer Bauer neidisch auf die topfebenen riesigen Felder, umgeben von Bewässerungskanälen. Ein ausgetüfteltes Bewässerungssystem ermöglicht es jedem Landwirt, seine Ländereien mit genügend Wasser zu versorgen. Stattliche Bauernhäuser mit gepflegten Gärten und mächtigen Oekonomiegebäuden sind neben den Ländereien angesiedelt. In Uithorn machen wir eine Kaffeepause; lange mussten wir warten, bis wir endlich ein Restaurant oder Café finden konnten, das so früh die Pforten öffnet. In der Zwischenzeit ist es etwas wärmer geworden und wir geniessen die angenehmen Winde, die uns vor allem auf den Dämmen um die Ohren streichen. In Alphen aan den Rijn haben wir unsere Mittagspause, wo wir uns individuell verpflegen. Ein trendiges Restaurant direkt am Wasser erfüllt unsere Wünsche. Während wir auf unsere Club-Sandwiches warten, beobachten wir etwas neidisch die vorbei schwimmenden Boote. Aber was jammern wir? Wir haben ja auch ein Boot! Und was für eines: die Excellence Countess wird uns in Kürze in Rotterdam wieder zur Verfügung stehen.

Da ich heute mit der «kurzen» Gruppe unterwegs bin, endet die Velotour mit Fritz schon nach 70 km in Zevenhuizen. Die Räder werden verladen und wir kehren dort in einer Hafenbeiz ein. Um 16 Uhr fährt uns Thamas mit dem Twerenboldbus nach Rotterdam. Schon von Weitem erblickt man die grandiosen hypomodernen Bauwerke der Stadt, die Freude ist gross, als ich beim Betreten meiner Kabine wieder einen atemberaubenden Blick auf die Stadt habe. Yeh!

4. Tag | Freitag, 05. August: Rotterdam-Gent (velofreier Tag)

Der Freitag wird tatsächlich zum Freitag, zumindest was das Velofahren betrifft. Stattdessen wird gemächlich gefrühstückt, denn am Vormittag startet das Programm erst um 9.30 Uhr vor dem Schiff. Ein kleiner Spaziergang bis zur Anlegestelle an der Erasmusbrücke, wo unsere Hafenrundfahrt beginnt. Da der Rotterdamer Hafen der grösste von Europa ist, sind wir über eine Stunde unterwegs und haben trotzdem nur einen kleinen Teil davon gesehen. Die riesigen Hafenkräne und die kolossalen Containerschiffe sind beeindruckend. Unterdessen ziehen immer mehr Wolken auf und es beginnt stark zu winden. Immer mehr Passagiere verziehen sich in die geschützten Innenräume. In weiser Voraussicht bin ich gut «eingepackt» zum Treffpunkt gekommen und geniesse deshalb das fast leere Oberdeck für mich alleine. Gewaltig diese Anlagen, diese Organisation mit Waren aus der ganzen Welt. Zurück im Hafen spazieren wir zur Markthalle, die unweit des Rathauses steht. Der aussergewöhnliche Bau ist eine Mischung aus Markt, Restaurants, Bars, Spezialitätengeschäften und Wohnungen. Ein Hingucker ist die buntbemalte Bogendecke über den Marktständen, wo Käse, Waffeln, Makronen und sonstige Leckereien angeboten werden. Unweit davon fällt ein kultiges Bauwerk auf: das Kubushaus von Architekt Piet Blom. Eine Wohnanlage in Form von gelben Würfeln, die im 45°-Winkel aneinander gefügt sind. Es gibt sogar eine Musterwohnung zu bestaunen, aber da wir mit der «Countess» um 13.15 Uhr in Rotterdam ablegen um nach Gent zu fahren, können wir uns nicht in die lange Warteschlange einreihen. Um 13 Uhr werden wir zum Mittagessen an Bord erwartet. Ich freue mich, auch tagsüber einmal an Bord zu sein und die Annehmlichkeiten des luxuriösen Schiffes voll auskosten zu können. Im Heck befindet sich eine Lounge, wo ich nebst der tollen Aussicht auf die Nieuwe Maas und die vorbeiziehende Landschaft, auch in den Genuss von Tee und Kaffee komme. Auf dem Oberdeck wird Glacé angeboten. Zeit für mich das Deck zu wechseln und mich auf einem Liegestuhl auszuruhen.

So gleiten wir ruhig und bei strahlend blauem Himmel Richtung Belgien. Wir passieren auch Schleusen, was immer für eine willkommene Abwechslung sorgt. Spät abends erreichen wir Gent.

5. Tag | Samstag, 06. August: Gent  – Thielt

Etwas verwirrt bin ich heute Morgen um 5.30 Uhr. Was? Immer noch dunkel? Ohne es zu merken, hat in der Nacht ein Flussschiff neben uns angelegt und uns somit die freie Sicht verwehrt. Nach dem gewohnt ausgiebigen Frühstück bringt uns Thamas mit dem Bus ins Zentrum von Gent. Bei der Anlegestelle eines Querflusses warten wir auf ein Touristenboot ... und warten ... und warten. Anfangs vertröstet uns Robert, dass man es in Belgien halt nicht so genau nehme und telefonisch sei leider zur Zeit auch niemand erreichbar. Schlussendlich erfahren wir, dass coronabedingt ein Mitarbeiter ausgefallen sei und die Fahrt etwas verspätet stattfinden muss. So wird das Programm kurzerhand angepasst und wir verbringen zuerst etwas freie Zeit in der historischen Altstadt von Gent, bevor wir dann endlich doch noch ins Boot steigen können. Die Chefin persönlich kommt vorbei, um sich zu entschuldigen und bringt als kleine Wiedergutmachung ein hübsch verpacktes Schokoladen-Nascherl aus einer Konditorei für jeden von uns mit. Wer kann da noch lange böse sein – wenn das überhaupt jemand war? Der witzige junge Kapitän, der zugleich auch unser Stadtführer ist, unterhält uns mit kecken Sprüchen, Geschichten und Aktualitäten aus Gent. So endet die Bootstour, aber wir sind gut eingestimmt auf den weiteren Tag. Nach einer halbstündigen Fahrt mit dem Bus kommen wir in Tielt an, wo wir in der romantischen Innenstadt genügend Angebote an Gartenwirtschaften vorfinden, um die Mittagspause zu verbringen. Die Bestellung im Restaurant ist dann etwas kompliziert; die Dame spricht nur belgisch (oder gar flämisch?), aber schlussendlich bekommen wir alle ein leckeres Menu und dazu – ganz wichtig ­– die weltbesten Pommes. Die belgischen Friten unterscheiden sich insofern, dass sie im Rindernierenfett gebacken werden. Tatsächlich schmecken sie uns vorzüglich, aber ob sie nun wirklich besser sind, als unsere ...?

Hauptsache, wir sind gestärkt für die bevorstehende Velotour zurück nach Gent, ca. 50 km. Ich radle heute mit der Gruppe von Rolf und reihe mich nun als Neuzugang in die Kolonne ein. Die Radwege hier in Belgien sind etwas weniger aufwändig gestaltet als im Nachbarland, aber überall sehr gut ausgeschildert. Wir fahren durch viele Wohnquartiere, die etwas unbewohnt wirken – es scheinen alle im Urlaub zu sein. Lauschige Baumalleen spenden Schatten und das bei angenehmen Temperaturen. Wettertechnisch sind wir bis anhin sehr verwöhnt worden. In Astene, Gemeinde Deinze, kehren wir in einer originellen Gartenbeiz ein. Sie liegt direkt an der «Leie» und scheint bei den Velofahrern sehr beliebt zu sein, denn dutzende Räder stehen kreuz und quer rund um das Anwesen. Von hier sind es noch rund 15km bis nach Gent, die wir bequem in zügigem Tempo zurücklegen. In der Stadt heisst es für alle konzentriert und zügig fahren. Ich bin immer froh, in solch hektischen Verkehrssituationen einfach hinter den Reiseleitern, die das stets souverän meistern, hinterherzufahren. Bei der «Countess» steht auch schon unser Car mit dem Veloanhänger, so können unsere Bikes zügig eingeladen werden, nachdem die Akkus abgenommen worden sind. Diese müssen wir jeweils in die Kabine nehmen, um sie über Nacht aufzuladen. Etwas habe ich heute völlig verpasst: Belgische Schokolade einzukaufen! Belgien ist nicht nur für sein aromatisches Bier und Friten berühmt, sondern auch für ihre fantastische Schokolade, die sie gerne und oft in hübschen Geschäften anpreisen.

6. Tag | Sonntag, 07. August: Antwerpen–Hasselt

Am Vormittag dürfen wir mit dem einheimischen Willy die Altstadt entdecken. Sichtlich stolz erwähnt er, dass Antwerpen den zweitgrössten Hafen hat (nach Rotterdam) und dass der erste Wolkenkratzer von Europa hier gebaut worden sei. Aber natürlich gibt es auch unzählige Sehenswürdigkeiten über die er zu berichten weiss: die Liebfrauenkathedrale, das Rathaus am grossen Marktplatz, die Rubens-Statue, der «Stein» (Burg) und was man sonst noch gesehen haben muss. Es ist sehr ruhig in der Innenstadt, es ist halt Sonntag. In einer versteckten dunklen Gasse, der «Vlaeykensgang», fühlt man sich ins Mittelalter versetzt: in Kellergewölben kann man heutzutage edel und aussergewöhnlich gut speisen. Etwas moderner wird es auf dem Rückweg entlang dem Hafen. Dort steht das riesige Museum «Aan de Stroom» (MAS), das 2011 eröffnet wurde. Direkt am Quai stehen zwei moderne Wohntürme in Gold- und Silberglanz, sie wurden von den Schweizer Architekten Diener & Diener entworfen. Willy bringt uns pünktlich zurück zum Schiff, gerne hätte ich noch mehr Zeit für diese spannende Stadt gehabt.

Aber das E-Bike ruft, wir ziehen uns für die Velotour um. Thamas wartet bereits mit dem Bus, denn wir fahren in das 40km entfernte nordwestlich von Antwerpen gelegene Rilland. Ausserhalb der Ortschaft werden die Räder ausgeladen und wir trampen zuerst einem riesigen Industriegebiet entlang. Wo ein Hafen ist, gibt es auch viel Industrie. Von weitem sieht man die Docks, rauchende Kühltürme, Kranen und Türme in den Himmel ragen. Auf dem Damm machen wir unsere Mittagsrast, wo wir die mitgebrachten Lunchpakete auspacken, die uns die Schiffsküche vorbereitet hat. Ich geniesse dieses köstliche Menu unter freiem Himmel mit dieser aussergewöhnlichen «industriellen» Aussicht in vollen Zügen. Wir beenden unseren Besuch am Hafenbecken und der Radweg führt uns bald durch Wälder und Baumalleen. Heute wird es 26 Grad, deshalb fährt man diese schattigen Wege sehr gerne. Etwas weniger beliebt sind die gepflästerten Strassen, aber da müssen wir durch resp. «rüber». Immer wieder durchfahren wir  Wohnquartiere. Als wir durch ein Waldgebiet fahren, entdecken wir zwischen den mächtigen Laubbäumen viele stattliche Herrenhäuser, Villen und ultra moderne Bauwerke. Ob da die reichen Industriellen einfach ihr Geld in Immobilien angelegt haben? Beim Castle Ravenhof bei Stabroek stellen wir unsere Räder ab. Am Rande des Parks kehren wir im «Koetshuis» ein, bevor wir im nahen Wijnegem vom Bus abgeholt und zur Schleuse bei Herentals/Olen gebracht werden. Kaum auf dem Schiff geht die Reise los; es wird dunkel in den Kabinen, denn wir sind bereits in der Schleuse und überwinden so die unterschiedlichen Wasserhöhen der Kanäle.

7. Tag | Montag, 08. August: Hasselt ­– Sint Truiden – Hasselt

Mit der «langen» Gruppe fahre ich heute rund 75km im Gebiet südlich von Hasselt. Zuerst geht es bei wolkenlosem blauem Himmel dem Albertkanal entlang Richtung Lummen; ein paar Frachtschiffe schippern ruhig an uns vorbei. Bevor wir den Kanal rechts liegen lassen, erklärt uns Robert anhand einer Landkarte, wo wir bis anhin mit den Velos gefahren sind und wohin uns die heutige Tour bringt. Schon bald zweigen wir ab auf Waldwege und gelangen so in die belgischen Obstgärten. Wir staunen ob der niederstämmigen Birnbäume, die schwer mit Früchten behangen sind, dass sogar die Äste abgeknickt sind. Belgien ist also nicht nur ein Industriestaat, sondern auch ein wichtiger Obstproduzent in Europa. An den gut ausgebauten Velostrassen stehen gut sichtbar blaue Tafeln mit «Knootpunt» und einer Zahl, diese steht für einen «Knotenpunkt» der auf einer Velokarte oder auch im Internet so eingetragen ist. Man fährt also von Punkt zu Punkt – ganz einfach! In einem kleinen Dorf machen wir unseren Kaffeehalt. Wir haben Glück, denn vor 10 Uhr gibt es in Belgien sonst kaum ein offenes Restaurant. Weiter geht es durch langgezogene Wohnquartiere. Traditionelle Backsteinhäuser sind hier in der Überzahl, einige moderne Neubauten und wenige verputzte Häuser. Eines haben sie aber gemeinsam: die minimalistisch gestalteten Vorplätze. Split und Kies werden von einer akkurat geschnittenen Hecke umrandet. Ab und zu ziert ein Buchsbaum noch die Mitte der Steinwüste. Tja, mit Blumen und bunten Sträuchern haben sie es nicht so, dünkt es uns; dafür haben sie ja leckere Frites, was uns sehr zugute kommt. In dem pittoresken Städtchen Sint-Truiden verweilen wir während der Mittagspause, nachdem wir die schlichte Beginenhofkirche besucht haben. Etwas beschämt sind wir nach dem vorzüglichen Essen in der Gartenwirtschaft, denn die junge Bedienung hat die Menus der Gäste aller Tische zusammen auf einen Beleg genommen. Sie ist dann mit der ganzen Abrechnung so überfordert, dass sie ein paar Tränen vergiessen muss. Etwas problematisch ist die Verständigung. Wir versuchen es mit Deutsch, Englisch und Französisch – ein belgischer Wortschwall ist immer die Antwort. Aber schlussendlich können wir einigen und zufrieden weiterfahren. Wir machen nun die restlichen 40 km zurück nach Hasselt in der entgegengesetzten Richtung wie unsere Kollegen der «kurzen» Gruppen. Diese verladen ihr Velo bereits in Sint-Truiden und fahren mit dem Bus zum Schiff. Wir sind gespannt, wie unsere Schiffsreise weitergeht, da um Maastricht Niedrigwasserstand herrscht und der Kapitän eine andere Route zu unserem Endziel Nijmegen fahren muss. Wir «Langen» freuen uns nun auf die letzte Etappe bis Hasselt. Bei rund 26 Grad gibt es nichts Schöneres, als mit einem E-Bike und etwas Fahrtwind unterwegs zu sein. Um 16 Uhr kommen wir an der Anlegestelle Hasselt an und können in aller Ruhe duschen und somit relaxed zum Abendessen erscheinen. Ein paar Gäste der kurzen Gruppe haben die frühe Ankunft genutzt, um in die Innenstadt zu spazieren.

8. Tag | Dienstag, 09. August: Hasselt ­– Maastricht – Maaseik – Hasselt

Nach einer stündigen Busfahrt können wir in Maastricht die Räder in Empfang nehmen. In Kürze erreichen wir die Maas und fahren auf dem Damm bei strahlend blauem Himmel Richtung Norden. Etwas nachdenklich stimmt uns das ausgetrocknete Flussbeet, obwohl es rein optisch gesehen, wunderhübsch anzusehen ist mit den kleinen Wasserstellen, die von Hunderten von Vögeln belagert werden. Nach Maasmechelen trinken wir unseren Znünikaffee in einer Gartenbeiz direkt am Wasser. Die Weiterfahrt verläuft nun hauptsächlich über schattige Wege, entweder durch eine Baumallee oder durch kleine Wälder. Erstaunlich ist, dass alle Wege stets geteert sind. An die Velokultur der Belgier müssen wir uns noch etwas mehr anpassen, da kennen sie kein Pardon: schön am Rand fahren und so dem Gegenverkehr genügend Platz einräumen. Die Radrennfahrer nutzen nämlich den gleichen Weg und haben ein beachtliches Tempo drauf. So werden wir laufend mit lautem Zurufen zur Ordnung aufgefordert. Viel netter scheinen uns die Autofahrer, die immer ganz selbstverständlich anhalten, sobald sie eine Velogruppe beim Überqueren der Strasse entdecken. So kann die Gruppe vollzählig und ohne Absteigen die Strassenseiten wechseln. Nach knapp 50 km treffen wir in Maaseik ein und verladen ein letztes Mal unsere Velos in den Anhänger. In einer der zahlreichen Gartenbeizen rund um den Marktplatz finden wir ein schattiges Plätzchen. Die Männer nutzen die Gelegenheit, noch ein letztes Belgisches Bier zu trinken – das wird traditionellerweise stets im passenden Glas serviert. Mit dem Bus fahren wir nun zurück nach Hasselt, wo wir an der Anlegestelle auf die «Countess» warten. Kaum ist das Schiff angekommen, müssen wir hastig einsteigen, damit die Ankunft bei der Schleuse pünktlich erfolgen kann. Jetzt wird die freie Zeit genutzt um sich aufzubretzeln: heute findet das Gala-Dinner statt. Die Velogruppen treffen sich bereits um 17.45 Uhr zum Abschieds-Cocktail in der Lounge. Etwas wehmütig stossen wir auf unsere gelungene und vor allem unfallfreie Ferienwoche an. Das Nachtessen, das wir anschliessend serviert bekommen, ist – wie soll ich sagen – «Traumschiff»-würdig! Ein auserlesener Tropfen Wein rundet das vorzügliche Essen ab und wir lehnen uns zufrieden in den komfortablen Sesseln zurück, um alles noch einmal in vollen Zügen zu geniessen.

9. Tag | Mittwoch, 10. August: Nijmegen–Schweiz

Um 7 Uhr muss unser Koffer vor der Kabine stehen, denn diese werden vom Personal zum Bus transportiert – welch ein Service! Bereits ab 6 Uhr dürfen wir uns noch ein letztes Mal am grosszügigen Frühstücksbuffet bedienen. Herzlich verabschieden wir uns dann von der Schiffs-Crew; alle Mitarbeitenden haben uns während der ganzen Woche aufmerksam und freundlich umsorgt. Die Velotruppe verlässt die «Countess» zuerst; eine halbe Stunde später folgen dann die Schiffs-Feriengäste, die in drei weiteren Twerenbold-Bussen angereist waren. Eine rund 700km lange Heimreise steht uns bevor. Anfangs ist es sehr ruhig im Bus, denn wir holen den verpassten Schlaf nach. Thamas, unser Chauffeur, lenkt den Bus ruhig und zuverlässig über die Autobahn bis zur ersten Kaffeepause. Die Reiseleiter verwöhnen uns an Bord mit Getränken und spannenden Informationen, wie z.B. dass wir in den 6 Velotagen rund 360km abgespult haben, bei bescheidenen 610 Höhenmetern. Um den Rückblick abwechslungsreich zu gestalten, fordert uns Roberto auf, dass jeder Teilnehmende sein Highlight der Reise in kurzen Worten nennen soll – Wiederholungen nicht erlaubt. So haben es die letzten am schwierigsten, etwas anzupreisen ... aber da wir ja ein «bunter» Haufen sind, ist das kein Problem. Fazit? In guter Gesellschaft zu reisen, ist der meist umschriebene positive Faktor. Wie könnte es auch anders sein ... Als Abschiedsgeschenk der Firma Twerenbold, haben die Reiseleiter eine Spezialität aus Holland eingekauft: Dutch Syrup Waffles. Die Anleitung zum richtigen Verspeisen gibt uns Carel, unser holländische Mitreisende: diese runde Waffel für ein paar Momente auf die Tasse Kaffee legen, dann entwickelt die mit Ahornsirup gefüllte Waffel ein sensationelles Aroma. Mit diesem kulinarischen Tipp verabschieden wir uns bald in Rütihof. Wir sind uns einig, diese Ferienwoche in den Niederlanden und Belgien war eine abwechslungsreiche, fröhliche und perfekt organisierte Reise – und das bei besten Wetterbedingungen. So schliesse ich mit den Worten unserer holländischen Freunde: «Het was heel mooi!» (es war sehr schön).

Diese Reise ist ideal für Menschen, die die Niederlande und Belgien kennenlernen möchten. Man fährt an vielen Kanälen, Industriehäfen, Wäldern, aber auch an überraschend grossen Obstanlagen entlang. Stets auf geteerten, gut ausgebauten Velostrassen. Die Einheimischen sind versierte Velofahrer und flink unterwegs. Velofahren hat einen grossen Stellenwert, Autofahrer gewähren stets Vortritt, was für eine grosse Gruppe sehr nützlich ist. Das Wohnen auf dem Schiff ist erholsam und komfortabel, da man so ein ganzes Land bereisen kann, ohne Hotelwechsel – so hat man Aktivferien und trotzdem den Luxus, stets sein «Bett» dabei zu haben.

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